Hans Joachim Teschners

 

Lebens-Quark 9

 

 


 

 

 

 

Mittwochs, wenn Pseudo Elias alias Jeremy McTeshy zum Konservatorium streunt, bleibt ihm der Anblick des Greises in der Lessingstr. 22 nicht erspart. Jeweils nach Einfütterung von Frühstücksbrei und Retard-Sedativa wird der Greis von einer karitativen Person an die straßenseitige Fensterscheibe geschoben, den Rollstuhl auf Parkstellung. Hier, im Hinterglasansitz lässt sich das Verkehrsgeschehen beschatten, eine harnwuzelnd tagesverzehrende Beschäftigung. Nunmehr, während des unnachgiebigen Monitorings des vorbeistöbernden Verkehrsgeschehens, wird Punkt 2 der Agenda abgearbeitet: Forschend schraubt der Greis seine gichtige Knitterkralle in die Seitentasche des Rollis, bringt eine Gewürzgurke zutage, schiebt sie grämlich zwischen die Lippen und saugt daran wie an einer Brasil. So geht die Zeit, so versiegen die Stunden. Hausfrauen bluntzen entenschlurf-watschelnd vorbei, Schülerhorden rotten ins Tchibo und Elias zirkelt in Quinten zum Musiktempel, seinem Professore ein Ständchen zu bieten.

„Hey Opa“, ruft Elias im Vorbeigehen, „deine Zigarre ist ausgegangen. Erloschen wie des Menschen Licht im ewigen Kreise des Dort und Drüben.“

Der Greis stößt das Fenster auf, wobei er nicht ungeschickt seine Krücke zum Einsatz bringt und schleudert einen noch unveröffentlichten Fluch auf den Musikstudenten.

„Wie ein Aff im Käfig!“ schmettert Elias grunztrunken, „ein erklecklich Faszinosum!“

„Schleich dich, Schwanz!“ kreischt der Tatterich dürftig, “mein Zigar‘ kriegst nimmer nicht“. Die Spucke schleimt, das Gurkending flutscht aus zahnlosem Geviert, der Jerry ruckt und zuckt verknufft,

und so geht es weiter:

Auf den Strickpullov saust das Utensil, ein brennend Gurk, frisst ein Loch ins Woll, glüht ins Feinripp, sengt die Haar und macht ein Schmerz.

So steht es amtlich.

 

 

 

 

Der da, den ein langer Satz nicht schreckt, liest diesen hier:

 

Nach einer Episode kapitalfokussierter Nutzungs- und Tantieme-Akkumulierung im Bereich kunstferner gleichwohl didaktisch letztbegründeter Notenstecherei, die bis auf den heutigen Tag anhält, hatte ich zwischendurch, es muss so gegen Ende des Jahrhunderts gewesen sein, den Drang, mich in ein Metier einzuloggen, welches mir bis heute - und das wird wohl zu einem nicht endenwollenden Missvergnügen anwachsen - internal undurchdringlich geblieben ist, dem ich dennoch trotzig und gerade deswegen meine von ungebetenen Abschleimungsgünstlingen prophezeite Dahinwelkung meiner Primärenergie eben diese als solche andiente.

 

Es ging, schnöde gesagt, um die Filmemacherei. Mit Rita (Gartenstr. 34, 2. Stock) und einem Individuum unbekannter Herkunft (Ostfriese, Leer, Bassgitarrist) gründete ich die Firma „Schnellschnitt“. Hier wollten wir das Filmgewerbe aufmischen, was sage ich, in die Kartuschen zwingen, auf die Knie balbieren und mindest ins Zentralgewerk reingrenadieren und dicht- und dämlichkalfatern.

Der erste Versuch, ein Dokufilm über den Hanfanbau der Eskimos auf Treibeis-Reservaten scheiterte. Die als Inuit getarnten Eskimos (Rita und das Individuum) hatten während der Dreharbeiten das Cannabisgewächs kennen und genießen gelernt mit dem Ergebnis, dass sie dem Auflauern, Abmurksen und Rohfleischessen von Seehunden, Walrössern oder Eisbären so gar keine Gunst erweisen wollten. Immer nur kiffen, Joints drehen, sich mit Pink Floyd zudröhnen, herumgammeln und AKW-Sprüche kloppen, darauf lief es hinaus, eine Schande für das menschliche Genom in seiner Komplettausstattung.

Immerhin brachte mich die Thematik auf die Idee zu einem Kolossaldrehbuch im Stil opulenter Bollywoodschmanzonetten, und der darauf fußende und durch die Decke krachende Spielfilm übertraf denn auch alle Erwartungen der genuin so apostrophierten Cineastengemeinde (Rita, das Individuum und Ritas Macker Karl-Heinz). Er trug den Arbeitstitel:
„Das rasende Walross im Würgegriff der Killerkrabbe“ und schon beim Nennen des Titels vermeine ich, Tränen der Rührung sowie des gewaltsam unterdrückten Schluchzens zu vernehmen.

In neomultimedialer Technik gedreht läutete der Film die Wende von der Nachpostmoderne ein zur Rehabilitierung und endgültigen Renaturierung des Hurenfilms.

Hier das Drehbuch und dort (Knopf) prekäre Filmausschnitte:  

 

             

                                                                         

 

                         

 

1. Gebetsteppich:

Das rasende Walross auf der Flucht vor seinen Mätressen

Zwanzig Mätressen in ungeschnürten Miedern jagen hinter ihrem Peiniger her, dem rasenden Walross. Dieser hat sie zu dem gemacht, was sie sind und immer schon werden wollten. Zwanzig Minuten dauert die Flucht, denn jede Mätresse benötigt eine Minute. 

 

 
   

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

2. Gebetsteppich:

Das rasende Walross jagt eine Schar walrossiger Stuten

Nach Ablauf der zwanzigsten Minute hat das rasende Walross das rachelüsterne Mätressariat abgeschüttelt und hält nun schneidig Ausschau nach fettlebriger Beute. Da erblickt er eine Pilgerkolonne walrossiger Stuten, die zum heiligen Piccadillus wallfahrten. Hossa, wie sein Lockruf tönet! Aber ach, die Stutenherde entflieht in orgiastischer Frenetik, der Schnee stiebert metaphernschwer über die Leinwand und ab geht’s mit Karacho jachernd hinter den Röcken her. Wiederum zwanzig Minuten dauert die Jagd, dann sind alle Stuten aufgefressen.

 

 

 

 

3. Gebetsteppich:

Der Harem bebt

Auf der Jagd nach Weiberfleisch ist das rasende Walross in ein feindliches Gebiet eingedrungen, welches in der Saga „Die Kiffer vom Treibeis-Reservat“ maulfaulig als „Harem von Krabbenau“ beschrieben wird, auch als „Kiosk Ecke Gartenstraße/Kantstraße“ oder enigmatisch „Die Krill“. Hier, im Harem der grauslig ondolierten Killerkrabbe, tummeln sich Tausende Krillweibchen, die das rasende Walross eingekesselt haben, mit tödlichem Begehr, gnadenlos, sexgeil, bebend vor Erregung und unersättlich. Das rasende Walross sieht keinen Ausweg mehr und unternimmt einen Freitod nach dem anderen, indem der sich per Daueronanie selbst zu begatten sucht.

 

 

 

                                                                                               

                                                               

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